Anmerkungen zur Transkription:

Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurdenübernommen; lediglich offensichtliche Druckfehler wurdenkorrigiert. Änderungen sind im Text gekennzeichnet,der Originaltext erscheint beim Überfahren mit der Maus.

ROBERT MUSIL

Die Verwirrungen
des Zöglings Törleß

Wiener Verlag
Wien und Leipzig
1906

Eine kleine Station an der Strecke, welchenach Rußland führt.

Endlos gerade liefen vier parallele Eisensträngenach beiden Seiten zwischen dem gelbenKies des breiten Fahrdammes; neben jedem wieein schmutziger Schatten der dunkle, von demAbdampfe in den Boden gebrannte Strich.

Hinter dem niederen, ölgestrichenen Stationsgebäudeführte eine breite, ausgefahrene Straßezur Bahnhofsrampe herauf. Ihre Ränder verlorensich in dem ringsum zertretenen Bodenund waren nur an zwei Reihen Akazienbäumenkenntlich, die traurig mit verdursteten, von Staubund Ruß erdrosselten Blättern zu beiden Seitenstanden.

Machten es diese traurigen Farben, machtees das bleiche, kraftlose, durch den Dunst ermüdeteLicht der Nachmittagssonne: Gegenständeund Menschen hatten etwas Gleichgültiges, Lebloses,Mechanisches an sich, als seien sie ausder Szene eines Puppentheaters genommen. VonZeit zu Zeit, in gleichen Intervallen, trat der Bahnhofsvorstand aus seinem Amtszimmerheraus, sah mit der gleichen Wendung desKopfes die weite Strecke hinauf nach den Signalender Wächterhäuschen, die immer noch nichtdas Nahen des Eilzuges anzeigen wollten, deran der Grenze große Verspätung erlitten hatte;mit ein und derselben Bewegung des Armeszog er sodann seine Taschenuhr hervor, schüttelteden Kopf und verschwand wieder; so wie dieFiguren kommen und gehen, die aus alten Turmuhrentreten, wenn die Stunde voll ist.

Auf dem breiten, festgestampften Streifenzwischen Schienenstrang und Gebäude promenierteeine heitere Gesellschaft junger Leute, links undrechts eines älteren Ehepaares schreitend, das denMittelpunkt der etwas lauten Unterhaltungbildete. Aber auch die Fröhlichkeit dieser Gruppewar keine rechte; der Lärm des lustigen Lachensschien schon auf wenige Schritte zu verstummen,gleichsam an einem zähen, unsichtbaren Widerstandezu Boden zu sinken.

Frau Hofrat Törleß, dies war die Damevon vielleicht vierzig Jahren, verbarg hinterihrem dichten Schleier traurige, vom Weinenein wenig gerötete Augen. Es galt Abschied zunehmen. Und es fiel ihr schwer, ihr einziges Kind nun wieder auf so lange Zeit unter fremdenLeuten lassen zu müssen, ohne Möglichkeit, selbstschützend über ihren Liebling zu wachen.

Denn die kleine Stadt lag weitab von derResidenz, im Osten des Reiches, in spärlichbesiedeltem, trockenem Ackerland.

Der Grund, dessentwegen Frau Törleß esdulden mußte, ihren Jungen in so ferner, unwirtlicherFremde zu wissen, war, daß sich in dieserStadt ein berühmtes Konvikt befand, welchesman schon seit dem vorigen Jahrhunderte, woes auf dem Boden einer frommen Stiftungerrichtet worden war, hier heraußen beließ,wohl um die aufwachsende Jugend vor denverderblichen Einflüssen einer Großstadt zubewahren.

Denn hier erhielten die Söhne der bestenFamilien des L

...

BU KİTABI OKUMAK İÇİN ÜYE OLUN VEYA GİRİŞ YAPIN!


Sitemize Üyelik ÜCRETSİZDİR!