Hermann Hesse
Gesammelte Werke

Märchen

von
Hermann Hesse

S. Fischer / Verlag / Berlin

25. bis 28. Anklage
Alle Rechte vorbehalten, besonders das der Übersetzung
Copyright 1919 by S. Fischer Verlag A.-G., Berlin

Inhalt

Augustus9
Der Dichter43
Merkwürdige Nachricht von einem andern Stern54
Der schwere Weg80
Eine Traumfolge89
Faldum108
Iris138

Augustus

Emil und Bertha Molt gewidmet

In der Mostackerstraße wohnte eine junge Frau, diehatte durch ein Unglück bald nach der Hochzeit ihrenMann verloren, und jetzt saß sie arm und verlassen inihrer kleinen Stube und wartete auf ihr Kind, das keinenVater haben sollte. Und weil sie so ganz allein war, soverweilten immer alle ihre Gedanken bei dem erwartetenKinde, und es gab nichts Schönes und Herrliches undBeneidenswertes, das sie nicht für dieses Kind ausgedachtund gewünscht und geträumt hätte. Ein steinernesHaus mit Spiegelscheiben und einem Springbrunnenim Garten schien ihr für den Kleinen gerade gut genug,und was seine Zukunft anging, so mußte er mindestensein Professor oder König werden.

Neben der armen Frau Elisabeth wohnte ein alterMann, den man nur selten ausgehen sah, und dannwar er ein kleines, graues Kerlchen mit einer Trottelmützeund einem grünen Regenschirm, dessen Stangennoch aus Fischbein gemacht waren wie in der alten Zeit.Die Kinder hatten Angst vor ihm, und die Großen meinten,er werde schon Gründe haben, sich so sehr zurückzuziehen.Oft wurde er lange Zeit von niemand gesehen,aber am Abend hörte man zuweilen aus seinem kleinen,baufälligen Hause eine feine Musik wie von sehr vielenkleinen, zarten Instrumenten erklingen. Dann fragtenKinder, wenn sie dort vorübergingen, ihre Mütter, obda drinnen die Engel oder vielleicht die Nixen sängen,aber die Mütter wußten nichts davon und sagten: „Nein,nein, das muß eine Spieldose sein.“

Dieser kleine Mann, welcher von den Nachbarn alsHerr Binßwanger angeredet wurde, hatte mit der FrauElisabeth eine sonderbare Art von Freundschaft. Siesprachen nämlich nie miteinander, aber der kleine, alteHerr Binßwanger grüßte jedesmal auf das freundlichste,wenn er am Fenster seiner Nachbarin vorüberkam, undsie nickte ihm wieder dankbar zu und hatte ihn gern, undbeide dachten: Wenn es mir einmal ganz elend gehensollte, dann will ich ge

...

BU KİTABI OKUMAK İÇİN ÜYE OLUN VEYA GİRİŞ YAPIN!


Sitemize Üyelik ÜCRETSİZDİR!